Kategorien
Neumünster

NMS: Prozess gegen Nico Seifert endet mit Freispruch

Anbei dokumentieren wir einen Artikel aus dem Holsteinischen Courier vom 05. März 2011:

„Überfall vor der Holstenhalle
Prügel für Frauen bleiben ungesühnt

Überfall auf dem Vorplatz der Holstenhalle: Vermummte Rechtsradikale verprügeln Aktivisten. Beim Prozess kam der Angeklagte nun mit einem Freispruch zweiter Klasse davon. Es klingt wie eine Szene aus einem schlechten Film, aber für vier junge Menschen aus Neumünster wurde es zur bitteren Realität: Offensichtlich nur, weil sie der linken Szene angehören oder zugerechnet werden, wurden die Vier von einer Horde vermummter Rechtsradikaler auf offener Straße gejagt. Zwei junge Frauen konnten nicht mehr rechtzeitig fliehen, wurden von den haushoch überlegenen Vermummten gestellt, zu Boden gestoßen und mit Schlägen und Fußtritten traktiert. Erst als die Polizei anrückte, machten sich die Schläger mit Hilfe eines bereit stehenden Lieferwagens aus dem Staub.

So passierte es am 16. Mai 2009 kurz nach 18 Uhr auf dem Vorplatz der Neumünsteraner Holstenhalle. Einer der Männer, ein kräftiger Kerl mit leicht erkennbarem Bürstenhaarschnitt, wurde dafür im vergangenen Jahr verurteilt. Sein Bekannter, Nico S. (23), wie sein Kumpel ein stadtbekannter Rechtsradikaler, musste sich gestern im Amtsgericht verantworten – und hatte mehr Glück: Weil keines der vier geladenen Opfer den Angeklagten mit Sicherheit als Mittäter identifizieren konnte, stellte das Gericht das Verfahren gegen den Neumünsteraner ein.

Dabei konnten die vier Opfer detailliert über die ungleiche Jagd vor der Holstenhalle berichten. Danach hatten sich die Vier vor einem Wanderzirkus getroffen, um mit Flugblättern gegen die Tierhaltung im Zirkus zu protestieren. Weil das Quartett viel zu früh vor der Vorstellung dran war, traf es allerdings kaum einen Menschen an. Stattdessen sei die schwarz gekleidete Gruppe aufgetaucht, sagte einer der Tierschützer aus. Zuerst habe er sich nichts dabei gedacht. Erst als die Männer die Kapuzen hochschlugen, dunkle Sonnenbrillen aufsetzen und die Halstücher vors Gesicht zogen, sei ihm klar geworden, „dass die uns nicht wohlgesonnen sind“.

Noch kälter erwischte es die Frauen: Erst als ihre Begleiter sie warnten „Los, haut ab!“, begriffen sie offenbar den Ernst der Lage und versuchten – vergeblich – zu fliehen. Während die beiden Männer entkommen konnten, wurden die Frauen gestellt.

„Ich bekam einen Schlag in die Rippen, dann bin ich gefallen“, sagte gestern Maja K.* (25), eine der beiden Frauen. In ihrer Angst habe sie sich bewusstlos gestellt. Möglicherweise hat ihr das weitere Prügel erspart: Weil irgendjemand rief „Ich hab’ eine!“, habe sich ihr Peiniger von ihr abgewandt. Ihre Freundin hatte weniger Glück: Durch Schläge und Fußtritte erlitt die 25-Jährige Prellungen, die sie mehrere Wochen außer Gefecht setzten.

Die Crux: Keiner der Vier war sich wirklich sicher, dass Nico S. bei den vermummten Schlägern dabei war. Eher entlastend für den Angeklagten war dabei, dass die Gruppe offenbar selbst im Internet gesucht und den jungen Rechtsradikalen auf einschlägigen Foren als möglichen Schläger ausgemacht hatte. Das Gericht fragte sich folglich zu Recht, inwieweit die jungen Opfer den Angeklagten tatsächlich erkannt oder nur Rückschlüsse gezogen hatten.

Das Gericht stellte das Verfahren gegen Nico S. ein. Ein Mitangeklagter, der den Lieferwagen zur Flucht bereitgestellt haben soll, kam mit einer Geldbuße davon. Gegen Zahlung von 360 Euro wird auch sein Verfahren eingestellt.“

*Name von der Redaktion geändert