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Neumünster

Prügelnder Holstengalerie-Security bei AfD-Aufmarsch ganz vorne mit dabei

Vor einigen Wochen kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von Securities und Jugendlichen in der Holstengalerie, die zu erheblicher körperlicher Gewalt führte. Zunächst berichteten die Medien nur von Schlägen und Tritten vor allem gegen einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, die Kieler Nachrichten gaben an, er sei „verprügelt worden“, die Bild-Zeitung titelte „Schläger prügelt Wachmann in Klinik“ und verwies darauf, dass dieser „nur seinen Job“ gemacht habe.
Die Kieler Nachrichten ergänzten zum Hintergrund, dass ein „Security-Mitarbeiter […] einen der jungen Männer eine halbe Stunde zuvor aus dem Einkaufszentrum“ verwiesen habe. Der Fall schien sehr eindeutig zu sein, die Täter- und die Opfer-Rolle waren klar verteilt, die rechtsextremen Parteien fällten ihr Urteil: die NPD sprach von „Ausländergewalt“, die AfD bezeichnete den Vorfall als einen erneuten Beweis zunehmender „Migrantengewalt“.

Einige Tage später meldete sich jedoch der Hauptbeschuldigte gegenüber Neumünster TV zu Wort. Nicht, dass die brutale Gewalt durch diesen Bericht gerechtfertigt werden würde, allerdings erscheint der Konflikt nicht so einseitig zu sein, wie zunächst der Eindruck zu erwecken versucht wurde (die AfD beispielsweise hatte davon gesprochen, dass der Mitarbeiter „grundlos attackiert“ worden wäre). Einerseits berichtete der Jugendliche im Interview, er habe versucht, nach der Rüge der Securities die Holstengalerie zu verlassen, um einen Konflikt zu vermeiden, die Sicherheitskräfte hätten ihn aber daran gehindert. Außerdem seien sie es gewesen, die die Situation eskaliert hätten: der Mitarbeiter, der später am Tag attackiert wurde, habe ihn mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Auch ein Video dieses ersten Vorfalls ist im Netz zu finden.

Bei dem Security-Mitarbeiter, von dem an diesem Tag die Eskalation und die Gewalt gegen einen – in den Worten der AfD – „jugendliche[n] Migranten“ ausging, handelt es sich um den 46jährigen Thomas S. Im sozialen Netzwerk Facebook gibt er an, zum Sicherheitsdienst „Einsatz Team Neumünster“ zu zählen, das auf deren Seite u.a. ein Video bewirbt, das nach einer unabhängigen Faktenprüfung vom Netzwerk mit der Warnung „teilweise falsche Informationen“ versehen wurde, sprich das Fake News enthält. Brisant: Nur einige Tage nach den Schlägen von Thomas S. nahm dieser an der AfD-Demonstration am 04.11.2023 in Neumünster teil. Tatsächlich ist er dabei nicht nur im Demonstrationszug mitgelaufen, sondern hält dabei sogar das Fronttransparent fest. Dabei ist er in guter Gesellschaft, denn neben ihm liefen neben seiner Freundin u.a. auch der AfD-Ratsherr Carsten Ortfeld, der den verbotenen Totenkopf der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) im Internet verbreitete, sowie die Anmelderin des AfD-Aufmarsches, Berith-Karoline Ortfeld. An dem Aufmarsch beteiligten sich auch Mitglieder der NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“ sowie gewaltbereite Mitglieder des seit dem Jahr 2000 in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“, es kam zu Drohungen, rassistischen Parolen und Hitlergrüßen. Im Verlauf der Demonstration beleidigte die Freundin von Thomas S. zudem einen Kameramann von Neumünster TV, der daraufhin Anzeige erstattete.

Ja, die Sicherheitslage in Neumünster war in letzter Zeit schwierig – das darf aber nicht zum Mobilisierungserfolg für Rechtsextreme führen. Als 2014 die rassistische Bürgerinitiative „Neumünster wehrt sich“ entstand, nachdem aufgrund der katastrophalen Lage in Syrien viele Menschen flüchten mussten, ging es auch in Neumünster in der öffentlichen Debatte wieder einmal um angebliche Ängste der Mehrheitsgesellschaft. Währenddessen brannten Unterkünfte von Geflüchteten und es wurden Menschen rassistisch attackiert. Zu viel wurde darüber diskutiert, ob es sich um „besorgte Bürger“ handeln würde, die einfach Angst vor einer angeblichen „Überfremdung“ hätten, statt die wirklichen Betroffenen dieser humanitären Ausnahmesituation und der rechten Gewalt in den Blick zu nehmen. Ob es in den nächsten Monaten zu einer großen, rechtsextrem geprägten Mobilisierung kommt, hängt auch davon ab, wie Politik und Gesellschaft mit der gegenwärtigen Lage umgehen. Dazu gehört, dass wieder mehr Menschen den Mut haben müssen, bei rassistischer Propaganda im Alltag zu widersprechen, sich aber auch auf der Straße den braunen Aufmärschen entgegenzustellen. Wo sind die Lichterketten gegen rechte Gewalt aus den 1990ern, wo sind die Sitzblockaden, wie sie es Anfang der 2000er gegen den „Club 88“ gab? Dazu gehört ebenfalls, dass die demokratischen Parteien Gefahren wie den Rechtsruck klar als solche benennen und sie sich jetzt mehr als je zuvor klar abgrenzen von rechten Parteien wie AfD und „Heimat“. Zudem müssen seitens der Behörden Straftaten, Bedrohungen und Beleidigungen auf Nazi-Demos sofort geahndet werden. „Kein Fußbreit dem Faschismus“ darf kein leeres Lippenbekenntnis sein, sondern die Demokratie muss wieder wehrhaft werden, damit es zu keinem erneuten 1933 kommt.