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Hintergründe zur Antifa-Gedenkkundgebung am 17.09.2021 in Neumünster

Nazis morden!

Am 17.09.1991 ermordeten zwei Männer im Rencks Park in Neumünster einen Obdachlosen.

Das Tatmotiv? Sozialdarwinismus. Ein Kernaspekt rechtsextremer Ideologien.
Der Haupttäter Manfred Thiele (damals 30 Jahre alt) war seit 1987 fast ununterbrochen in Haft und zur Tatzeit – zehn Tage vor dem Ende seiner Freiheitsstrafe – in seinem ersten Hafturlaub. Er und der Mittäter Volkert M. aus Rendswühren (damals 31 Jahre alt) betraten in der Nacht auf den 17. September 1991 den Rencks Park und suchten das Nachtlager von zwei Obdachlosen auf. Beide beginnen auf die Obdachlosen einzuschlagen und sie zu treten. Bei seiner Festnahme waren Thieles Socken und Stiefel blutgetränkt. Dem 52-Jährige Uwe Dinon-Fanel wird durch die Tritte der Schädel gebrochen und er verliert trotz den Bemühungen der Kieler Neurochirurgen ein Auge. Sein 54-Jähriger Freund -er stammt aus Swinemünde, seine genaue Identität ist nicht bekannt- stirbt durch die Tritte der Neonazis. (Holsteinischer Courier, Ausgaben von 1991 sowie 1992)
Manfred Thiele wurde wegen Mordes verurteilt und verbringt 15 Jahre im Gefängnis. 2011 schlägt Thiele erneut zu und attackiert einen Geflüchteten in Lübeck. (Antifa Lübeck)
Motive werden ignoriert
Erst im Gerichtssaal wird der Hintergrund der Tat deutlich: Thiele sagt er habe aus „persönlichem Hass auf die Berber“ gehandelt („Berber“ ist/war eine Selbstbezeichnung unter Obdachlosen). Thiele sagt er hasse Menschen im allgemeinen, aber besonders Obdachlose, denn „Penner haben kein Recht zu leben. Sie sind Dreck.“ (Holsteinischer Courier, Ausgaben von 1991 sowie 1992)
Oft wird der sozialdarwinistisch bedingte Hass auf Obdachlose als Teil rechtsextremer Ideologien bei der Diskussion ebendieser vergessen. Doch nicht nur im politischen Diskurs, sondern auch in der Justiz wird das Tatmotiv nicht wahrgenommen. Mehr als die Hälfte aller Morde an Obdachlosen durch Neonazis werden von Polizei und Justiz nicht als solche behandelt. (zeit.de)
Marginalisierte Gruppen sollen gegeinander ausgespielt werden
Überall -auch in Neumünster- versuchen rechtsextreme Gruppen wie die NPD Obdachlose für sich zu instrumentalisieren. Mit symbolischen Spendenaktionen wird auf das Leid der Obdachlosen aufmerksam gemacht – denn Schuld am Leid der deutschen Obdachlosen seien ja Geflüchtete.
2017 machten Geflüchtete aber selbst die Hälfte der 860.000 Wohnungslosen aus. Die Hälfte aller 52.000 Obdachlosen stammt aus Osteuropa. (der-rechte-rand.de)
Es wird gehasst wie früher

Schon im Dritten Reich wurden Obdachlose zum „Schutz der deutschen Rasse“ zu „Asozialen“ erklärt. Ab 1993 werden etwa 10.000 Männer, Frauen und Kinder in Konzentrationslager verschleppt, zwangssterilisiert oder ermordet. Sie seien „nicht lebenswert“ und schaden der Rassenhygiene. (wz.de)

In Hamburg erinnern 17 Stolpersteine an ermordete homosexuelle Obdachlose. (gedenkstaetten-in-hamburg.de)
Vor allem in den Nachwendejahren wird an diese Gewalt angeschlossen. „Von 1989 bis 2000 wurden nach Informationen der Obdachlosenzeitung motz 107 wohnungslose Menschen von Tätern außerhalb der
Wohnungslosenszene getötet“, dabei kämen die Täter seit Anfang der neunziger Jahre mehrheitlich aus der Naziszene. (berberinfo.blogsport.de)
Es war kein Einzelfall
Der Mord im Rencks Park war nicht das einzige Gewaltverbrechen gegen Obdachlose in Schleswig-Holstein. Am Silvestertag 1990 wird ein Obdachloser in Flensburg von drei Neonazis angegriffen und stirbt drei Tage später an seinen Verletzungen. Ein halbes Jahr nach dem Mord im Rencks Park (19.03.1992) wird ein schlafender Obdachloser in Neumünster überfallen. Am 19.03.1992 wird der Obdachlose Ingo Finnern von einem Neonazi ins Flensburger Hafenbecken gestoßen und ertrinkt. 1993 wird eine Obdachloser in Bad Segeberg vom bekannten und heute noch aktiven Neonazi Bernd Tödter totgeprügelt. (berberinfo.blogsport.de)
Was getan werden muss
– Versuche der NPD und anderer rechter Gruppen in Neumünster, mit dem Ziel marginalisierte Bevölkerungsteile wie Obdachlose und Geflüchtete gegeneinander auszuspielen, dürfen nicht toleriert werden.
– Der Mord muss als rechtsextrem motivierte Tat und der Getötete als Opfer rechter Gewalt anerkannt werden.
– Dem Getöteten muss gedacht werden. Wie so oft ist viel über die Täter berichtet worden, wir kennen aber nicht mal den Namen des Opfers. Wer kann etwas zur Identifizierung des Opfers beitragen? Schreibt uns auf Twitter @AntifaNMS oder schickt uns eine Email an antifa-nms@riseup.net
Obdachlosigkeit ist kein wirtschaftliches, technisches oder gar individuelles Problem, es ist ein politisches Problem.
Kein Vergeben, kein Vergessen! Solidarität mit allen Wohnungs- und Obdachlosen!