Am Vormittag des 27.4.2010 fand vor dem Amtsgericht Neumünster ein weiterer Prozess gegen Nico Seifert statt. Hintergrund war der Angriff auf den Pressesprecher des Bündnis gegen Rechts im vergangenen Sommer (Berichte siehe hier: Aufruf / Bericht über die Demo).
Neben etwa ein dutzend AntifaschistInnen waren auch 6 Nazis anwesend, darunter Nico Seifert und Manuel Fiebinger, der auch bereits den Prozess im Februar mitbegleitete. Am Eingangsbereich wurden beide Gruppen strengen Körperkontrollen unterzogen, wobei bei den Nazis auch einige Gegenstände vorrübergehend konfistiert wurden.
Der öffentliche Prozess begann mit etwas Verzögerung um kurz nach 11:00 Uhr. Von Anfang an lief dieser für Nico Seifert nicht sehr glücklich, da sein Anwalt Herr Lehmann sich schon in den ersten Minuten mit dem Richter und dem Oberstaatsanwalt lautstark in die Haare bekam, was sich auch im weiteren Verlauf der Verhandlung nicht wesentlich ändern sollte. Die Aussage von Nico Seifert war gefüllt mit etlichen Lügen und Widersprüchen des Tathergangs, was sich auch durch die Zeugin Kirchoff, die ihn eigentlich entlasten sollte, weiter bekräftigte.
Spätestens durch die Aussage des Polizeibeamten, die sich mit der Aussage des Bündnissprechers deckte, war klar, wie der Prozess enden würde.
Nico Seifert wurde vom Amtsgericht Neumünster zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro und einem Fahrverbot von 3 Monaten verurteilt. Damit liegt der richterliche Beschluss sogar über der Forderung des Oberstaatsanwaltes. Strafmindernd floß jedoch sicherlich auch die Bekräftigung Seiferts ein, er würde am 1.8.2010 eine Ausbildung als Fleischer beginnen.
Dass Nico Seifert sich selbst als Straight Edge bezeichnet und ein „I love Tofu“ Aufkleber am Auto hat, lassen wir mal so dahingestellt.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Medienkollektiv von Antifainfo Neumünster die Verurteilung Nico Seiferts als einen erneuten Erfolg gegen faschistische Bestrebungen in Neumünster und Umgebung sieht.
Nachfolgend dokumentieren wir noch die offizielle Pressemitteilung des Bündis gegen Rechts Neumünster.
(Zur Info: Nico Seifert wurde am 18.2. wegen eines anderen Vorfalls zu 60 Arbeitsstunden und einer Geldstrafe von 400,- Euro veurteilt. Siehe hier.)
Bündis gegen Rechts Neumünster vom 27.4.10:
„Pressemitteilung: Neonazi wegen Angriffs auf Pressesprecher des Bündnis gegen Rechts Neumünster verurteilt
Am 27.4 wurde vor dem Amtsgericht Neumünster der 22 jährige Neonazi Nico Seifert zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen a 10€ und einem 3 monatlichen Entzug der Fahrerlaubnis verurteilt. Nico S. hatte im Juni vergangenen Jahres den Pressesprecher des Bündnis gegen Rechts Neumünster in dessen Fahrzeug mit seinem PKW zunächst versucht von der Spur zu drängen und anschließend die Fahrzeugscheibe mit einem Teleskopschlagstock eingeschlagen.
Für Nico Seifert war dies bereits die zweite Verurteilung in diesem Jahr. Im Februar war er wegen schwerer Körperverletzung vor dem Amtsgericht zu 60 Arbeitsstunden und 400 € Schmerzensgeld verurteilt. Am Rande einer NPD-Kundgebung vor dem Kieler Rathaus hatte er im Mai 2008 zusammen mit Kieler Neonazis eine kleine Gruppe AntifaschistInnen überfallen und teilweise erheblich verletzt.
Der jetzt verhandelte Vorfall fügt sich ein in eine Reihe von Nazianschlägen im vergangenen Jahr in Neumünster. Seit Anfang 2009 wurden mehrfach Fahrzeuge von Personen beschädigt, die den Nazis mutmaßlich als aktive Menschen aus der antifaschistischen und antirassistischen Arbeit bekannt sind. Im Mai 2009 überfielen rund 10 Neonazis eine kleine Gruppe TierrechtlerInnen bei einer Protestaktion vor dem Zirkus, auch hier wollen Zeugen Nico Seifert als einen der Täter erkannt haben.
Hinter den Übergriffen stand die sog. „Aktionsgruppe Neumünster‘‘, die sich selbst im Internet zu ihren Taten bekannte und bei fortgesetzter antifaschistischer Arbeit weitere Gewalttaten ankündigte.
Als Reaktion auf die Vorfälle hatten im Juni 2009 rund 250 Menschen in Einfeld gegen neonazistische Gewalt demonstriert und Nico Seifert öffentlich als einen der Hauptverantwortlichen benannt. Nach dieser Demonstration und der Öffentlichkeitsarbeit fand der organisierte Naziterror in großen Teilen ein vorläufiges Ende.
Nico Seifert war vor Gericht von weiteren Neonazis, die z.T. der „Aktionsgruppe Neumünster“ angehören, begleitet worden, denen bei betreten des Gerichtssaales zunächst mindestens eine Schlagwaffe abgenommen wurde. Nicht zuletzt dies belege die fortgesetzte Gewaltbereitschaft und unterstreiche auch weiterhin die Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit, gerade in dieser Stadt.“
*UPDATE* 30.4.2010
Bericht des Holsteinischen Courier:
NEONAZI SPIELT WILDWEST IN DER ROONSTRASSE
30. April 2010 | Von Jens Bluhm
Der Sicherheitsaufwand war nicht ohne: Schon am Eingang des Gerichtsgebäudes filzten Polizei und Justizbeamte Besucher aus der rechten und der linken Szene, vor und im Gerichtssaal selbst sollten gleich mehrere Justizbeamte mögliche Ausschreitungen unterbinden und für Ruhe sorgen. Immerhin ging es in der Verhandlung auch um ein kleines Stückchen Kleinkrieg zwischen den verfeindeten Lagern: Auf der Anklagebank saß Nico S. (23), stadtbekannter Aktivist der rechtsradikalen Szene in Neumünster. Der wichtigste Zeuge war Gero G. (20), ein Wortführer aus der links-alternativen Szene.
Allerdings waren es nicht die verfeinden Unterstützer auf den Zuschauerbänken, sondern Richter und Verteidiger, die sich gleich zu Beginn der Verhandlung mächtig in die Haare gerieten: Als der Richter den allzu lässig im Stuhl hängenden Angeklagten aufforderte, sich ordentlich hinzusetzen, fühlte sich dessen Verteidiger auf den Plan gerufen: „Ach lassen Sie das doch, so wollen wir gar nicht erst anfangen!“ Der Richter nahm sich daraufhin wutschnaubend den Anwalt zur Brust: „Ich verbitte mir diesen Ton. Ich verlange Respekt vor dem Gericht!“
Dass sich der Verteidiger kurz darauf auch noch mit dem Staatsanwalt anlegte, weil der ihn wegen einer angeblichen Suggestivfrage rügte, verbesserte das Klima im Saal nicht gerade.
In der Sache ging es um eine wilde Verfolgungsfahrt, die sich der Angeklagte im vergangenen Juni, am Tag der Europawahl, mit Gero G. auf der Roonstraße und der Wasbeker Straße lieferte. Laut Anklage soll Nico S. seinem Widersacher, dessen Wagen er auf der Straße erkannt hatte, verfolgt und ihm mit einem Schlagstock aus dem fahrenden Wagen heraus das hintere Fenster seines VW-Busses zertrümmert haben.
Nico S. bestritt das: Nicht er, sondern sein Gegner habe ihn mit waghalsigen Fahrmanövern verfolgt und von der Straße abgedrängt. Nur zum Selbstschutz habe er mit dem Stock aus dem Autofenster heraus gedroht, dabei vielleicht auch den VW-Bus gestreift, aber keineswegs gezielt zugeschlagen.
Gero G. beschrieb das anders und blieb dabei: Der Angeklagte habe ihn attackiert und ihm mit zwei Schlägen das Autofenster zertrümmert.
Fast zwei Stunden versuchte das Gericht zu klären, wer in welcher Phase der Wildwestfahrt über die Roonstraße nun Jäger, wer Gehetzter war. Auch eine Zeugin, die das Rennen als Beifahrerin von Nico S. live verfolgte, konnte nur wenig Erhellendes beisteuern.
Bündnis gegen Rechts zeigt sich erleichtert
Letztlich schenkte das Gericht der Aussage des Zeugen Gero G. Glauben, der seine Version mit einem Eid bekräftigte. Seine Darstellung deckte sich darüberhinaus weitgehend mit der Schilderung einer Polizeistreife, die allerdings nur den letzten Teil der Jagd über die Roonstraße verfolgt hatte.
Gegen den Angeklagten sprach aus Sicht von Richter und Staatsanwalt auch das rätselhafte Verhalten von Nico S. nach der wilden Sause. Nachdem die Polizei ihn gestoppt hatte, gab er zwar zu, gerade eine rote Ampel überfahren zu haben, sagte zu der angeblichen Bedrohung durch Gero G. aber keinen Ton. Richter und Staatsanwalt folgerten daraus, dass es diese Bedrohung in Wahrheit nie gegeben hatte.
Wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung verurteilte das Gericht den derzeit arbeitslosen Angeklagten zu einer Geldstrafe von 900 Euro. Darüber hinaus verhängte der Richter ein dreimonatiges Fahrverbot. Der Schlagstock wurde eingezogen.
Das „Bündnis gegen Rechts“ zeigte sich gestern erleichtert über die Verurteilung. Der verhandelte Fall füge sich nahtlos in eine ganze Reihe von Nazi-Anschlägen ein, bei denen Autos von Personen beschädigt worden seien, die sich gegenrechtsradikale Gewalt engagierten, heißt es in einer Stellungnahme. Der Fall belege die fortgesetzte Gewaltbereitschaft der Neonazis.