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Zur Bürgermeisterwahl 2021

Während es bundesweit mit der NPD bergab geht, beobachtete der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein 2020 einen Mitgliederzuwachs von 20 Personen beim hiesigen Landesverband: „Das lag vor allem am Kreisverband Mittelholstein und seinem Vorsitzenden Mark Proch, der es verstand, neue Mitglieder zu werben.“ Der Wahlkampf für die Bürgermeisterwahl in Neumünster, zu der Proch erneut antrat, verlief jedoch überraschend ereignislos. Im Gegensatz zu vorherigen Wahlkämpfen führten der jüngst wegen Körperverletzung verurteilte Ratsherr Proch und seine KameradInnen in den letzten Wochen keinerlei Wahlkampfstände in der Innenstadt durch, auch wurden keine Flugblätter o.ä. verteilt, weder an neuralgischen Punkten in der Stadt noch an der Haustür. Lediglich die anti-grünen Wahlplakate der NPD, die zudem für eine Law & Order-Politik warben, waren im Stadtbild zu sehen, außerdem schaltete die Partei eine Anzeige im Wochenanzeiger, die zwar abgedruckt wurde, für die sich die Zeitung aber im Anschluss entschuldigte.

Große Chancen dürfte sich Proch nach seinen 2,6% im vorigen Anlauf 2015 nicht ausgerechnet haben, andererseits hatte die AfD für die jetzige Bürgermeisterwahl keinen Kandidaten gestellt, so dass Proch sich erhoffen durfte, zumindest deren WählerInnenstimmen auf sich zu vereinen. Auch dürfte er sich versprochen haben, dass die QuerdenkerInnen, die in Neumünster zumindest einige Wochen lang regelmäßig auf der Straße waren, ihm seine Stimme schenken, hatte er mit der NPD doch vor einigen Wochen einen Aufmarsch gegen die Corona-Politik der Regierung durchgeführt. Am Ende stimmten 786 Menschen aus Neumünster für die verfassungsfeindliche NPD, was 3,1% der WählerInnenstimmen entspricht. Wegen der gestiegenen Wahlbeteiligung bedeutet dies ein leichtes Plus, nicht nur in Hinblick auf den prozentualen Anteil, sondern auch auf die absoluten Zahlen (2015 waren es nur 575 Stimmen gewesen). Die besten Ergebnisse erzielte die Partei dabei in Faldera (20 Stimmen entsprechend 6,3% im Wahlbezirk 31) und in der Stadtmitte (ebenfalls 20 Stimmen entsprechend 6,3% im Wahlbezirk 30). Im Wahlbezirk 11, dem zur Stadtmitte gehörenden Vicelinviertel, erlangte Proch mit 34 Stimmen ganze 8,6%, was auch daran lag, dass hier die Wahlbeteiligung nur bei gut 15% lag. Das Viertel, was selbst bei Wikipedia als „sozialer Brennpunkt“ bezeichnet wird und in puncto Wahlbeteiligung „in Schleswig-Holstein Tiefstwerte“ einfährt, steht seit Jahren im Fokus von sozialarbeiterischen Stadtteilprojekten – zumindest in Bezug auf die Wahlbeteiligung bisher ohne große Veränderungen bewirkt zu haben.

Lichtblick: Im Wahlkreis 14 in Tungendorf erlangte die NPD mit 5 Stimmen nur 1,0% der Stimmen.

Im Wahlkampf hatten sich alle anderen Parteien klar gegen die extrem rechte Partei positioniert:„Die NPD gehört ausgegrenzt. […] Und es geht auch nicht, dass Ratsmitglieder zusammen mit den NPD-Ratsherren draußen eine rauchen“, erklärte SPD-Kandidat Bergmann. Der Juso-Vorsitzende Paul Weber hatte 2019 den CDU-Bürgermeister Tauras, der jetzt in die Stichwahl eingezogen ist, kritisiert, weil dieser sich im Gegensatz zu anderen Stadtobersten geweigert hatte, rassistische NPD-Wahlplakate abzunehmen. Kirsten Eickhoff-Weber, SPD-Abgeordnete für Neumünster und Boostedt, hatte ein Jahr zuvor den Aufruf der antifaschistischen Bündniskampagne „Titanic versenken – Nazikneipen dichtmachen“ unterzeichnet, ebenso wie die Grünen Aminata Touré und Rasmus Andresen. Der grüne Bürgermeisterkandidat Sven Radestock hatte seinerseits im Juni 2020 an den Black Lives Matter-Protesten in Neumünster teilgenommen und musste sich nun von Mark Proch vorhalten lassen, Anhänger*innen seiner Partei seien für das Sabotieren der NPD-Plakate verantwortlich. Auch der amtierende Bürgermeister Tauras hatte sich von der extremen Rechten distanziert, hatte aber beispielsweise 2009 seine Teilnahme an einer Demo gegen den Neonazi-Treffpunkt „Club 88“ abgesagt, u.a. weil er „reichlich verärgert“ darüber war, dass die Organisator*innen der Demonstration gegen Auflagen der Stadt geklagt hatten.

Weitere Informationen zur Wahl von der Antifa Lübeck.

Wir hatten schon im Wahlkampf klargestellt: Der Kampf gegen den Faschismus kann nicht nur im Parlament stattfinden, organisiert und vernetzt euch, bildet Banden! Antifa bleibt Handarbeit

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AfD erklärt Bewegungsfreiheit zum Grundrecht – #nms1704 – antifaschistische Kampfradler triumphieren über neonazistische Autofahrer

 

Simplified English Summary below

Am Samstag, den 17.04.2021, trafen sich eine Handvoll AfD-Anhänger auf dem Pendlerparkplatz Wasbek um gegen die Eindämmung des Coronavirus zu demonstrieren. Obwohl die Kreisverbände der rechten Partei aus Nordfriesland und Neumünster an der Organisation beteiligt waren und auch der AfD-Landesverband dazu aufgerufen hatte, kamen gerade einmal 11 Autos und ein Motorrad zusammen, um sich an dem Autocorso zu betieligen. Ohne ihre zwei plakatierten Werbeanhänger – und ihre konsequente Missachtung der Hygieneregeln – hätten wir sie vermutlich nicht vom regulären Pendler*innenverkehr unterscheiden können.

Lebhafter ging es zeitgleich da schon auf dem Parkplatz des Freesencenters zu, wo sich 50 Aktivist*innen zu einer antifaschistischen Fahrraddemonstration formierten, um dem Autocorso vorwegzufahren und vor deren verschwörungsideologischen Inhalten zu warnen. Während sich die Fahhraddemo sehr gemächlich, aber unter lautem Klingeln und mit Antifa- und Seebrücke-Fahnen auf den Weg in die Innenstadt machte, verlief der Weg der AfD durch die Stadt erst einmal unspektakulär und ereignlos, nicht mal ein Hupen war zu hören – auch nicht von dem riesigen Stauchaos, welches diese ordnungsliebenden Sonntagsfahrer hinter sich verursachten.

Nachdem die Polizei den Autocorso, der sich vom Pendlerparkplatz über die B430 zum Ring bewegt hatte, nicht hinter der Fahrraddemo her Richtung Osten schickte, sondern ihn auf dem Ring Richtung Westen schickte, erhöhten die antifaschistischen Radler*innen das Tempo deutlich und gelangten vor der AfD auf den zentralen Großlecken, den Ort der geplanten Abschlusskundgebung der rechten Partei. Die Polizei änderte daraufhin erneut den Plan und wies der AfD einen Ersatzkundgebungsort zu, den AOK-Parkplatz an der Rudolf-Weißmann-Straße. Doch auch den erreichte der Corso nicht problemlos, nachdem die Fahhraddemo eine Kreuzung in der Plöner Straße blockierte und die Nazis umständlich durch die Ringstraße umgeleitet werden mussten.
Doch am Ende der Ringstraße (Ecke Rudolf-Weißmann-Straße) begann das Spiel von vorn, denn aus ungeklärten Gründen legten einzelne Fahrradfahrer*innen den mindestens 500m langen Umweg schneller zurück als die Autos die 170m lange Ringstraße.

Auch wenn die Polizei mit ihren insgesamt 180 Einsatzkräften schaffte, die AfD an den Blockaden vorbeizulotsen, verzeichnen wir den Tag als Erfolg, da die verschwörungsideologische Endkundgebung nicht in der Innenstadt, sondern abgeschottet auf dem AOK-Parkplatz abgehalten werden musste. Fernab jeder Laufkundschaft feierten sich die AfD-AnhängerInnen hier selber und schwurbelten etwa dreißig Minuten von ihrer behelfsmäßige Bühne auf dem PKW-Anhänger, immer wieder gestört von lauten Pfiffen und Sprechchören des Gegenprotests. Inhaltlich gab es bei den Reden nichts Neues, außer dass die AfD die Bewegungsfreiheit als Grundrecht deklarierte. Ob das auch Geflüchtete gilt? Dass die Aussagen der Partei zum Corona-Virus solch mangelhafte Kenntnisse grundlegender chemischer und biologischer Prinzipien offenbarten, dass jede*n Sechstklässler*in entsetzt gewesen wäre, zeigt aber auch, dass die Partei nicht mit Argumenten punktet, sondern dadurch, dass sie Ressentiments und Ängste schürt und aus der teilweise verständlichen Frustration der Bevölkerung über Fehler in der Corona-Politik Kapital zu schlagen versucht.

Zum Gluck war der Spuk dann schnell vorbei. Es sollte ein Autokorso werden, aber am Ende war es eine Trauerprozession, die ein Stück Würde der eigenen Partei zu Grabe trug. Einer Partei, die es fast in ganz Deutschland schafft, bei Wahlen anzutreten – in Neumünster ist das trotz einer langjährigen extrem rechten Infrastruktur in der Stadt nicht der Fall.

On 2021-04-29 around 20 nazis from the AfD tried to stage a protest against effective covid-19 measures. Antifascist counter-protesters managed to disrupt the event with their bicycles.

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Lang lebe der Blog!

Da blogsport.de mittelfristig plant den Betrieb der Website einzustellen, haben wir beschlossen unseren Blog zu noblogs.org umzuziehen. Auf antifanms.blogsport.de werden keine neuen Beiträge veröffentlicht. Alle bisher auf antifanms.blogsport.de veröffentlichten Artikel sind jetzt auf antifanms.noblogs.org verfügbar.

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[NMS] Kampagne „Kein Fame für Famous“ gestartet


Am 20.09. wurden beim erfolgreichen Klimastreik, an dem sich auch die Antifaschistische Aktion Neumünster, ver.di usw. beteiligten, bereits Flyer der Kampagne verteilt. „Kein Fame für Famous“ protestiert dagegen, dass die Holsten-Galerie Neumünster Rockern und Nazis den roten Teppich ausrollt. Hinter dem Tattooladen „Famous“ steckt nämlich niemand anderer als der bundesweit bekannte Nazirocker Peter Borchert, der von Bandido-Kollegen wie Matthias Stutz unterstützt wird. Wir wollen die OTTO-Familie, die hinter der Holsten-Galerie Neumünster steckt, daran erinnern, dass Zwangsprostitution, Frauenhandel und Naziterror nicht zum Verhaltenskodex des Unternehmens passen, zumal dieser Kodex explizit auch für alle Geschäftspartner gilt. „Schöner leben ohne Naziläden“ fordert das Bündnis aus Gewerkschaften, Kirche und AntifaschistInnen. Alle Infos zur Kampagne unter https://keinfamefuerfamous.noblogs.org/

PS: News zu den Bandidos um Peter Borchert gibt es auch aus Kiel: https://t.co/6v0NuAq9n6?amp=1

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[NMS] Fake News statt „Lügenpresse“ – die Medienstrategie der NPD


Der NPD-Kreisverband Mittelholstein, der sich vor allem um den Neumünsteraner Ratsherrn Mark Michael Proch konstituiert, analysiert auf seiner Facebook-Seite gerne Artikel des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags (shz.de): „Unglaublich , wie plump der Leser hier mal wieder manipuliert wird“ oder aber „Lügenpresse“ lauten dabei die gängigen Urteile, zu denen die extrem rechte Partei meist in wenigen Zeilen – und ohne gegenteilige Fakten und Belege anzuführen – kommt. Im gleichen Atemzug werden dann „alternative Wahrheiten“ verbreitet, die sich aufgrund fehlender Belege schwer nachvollziehen und damit auch schwer widerlegen lassen. Die junge Welt hat sich die Mühe gemacht, Meldungen wie diese, dass Übergriffe in Schwimm- und Freibädern angeblich vor allem von „Südländern“ ausgehen würde, auseinanderzunehmen: Im empfehlenswerten Artikel „Fake News für den Mob“ heißt es u.a.: „Die rechte Stimmungsmache hat nichts mit Fakten zu tun, das zeigen Anfragen des Senders in den 20 größten Freibädern Deutschlands.“ (siehe Artikel) Dass die Wahrheit dabei für die extrem Rechten nicht entscheidend ist, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2017, die netzpolitik.org wie folgt resümiert: „Wer Medien nicht glaubt, glaubt eher an Fake-News“ (siehe Artikel). Es geht ihnen vielmehr darum, Ressentiments zu befeuern und Konflikte zu schüren, ja sogar eskalieren zu lassen, in „einer gesellschaftlichen Situation, in der wir so massive Hasstaten gesehen haben gegen Minderheiten, in der wir sehen, wie schnell sich aus einem Einzelfall Konflikte so aufheizen, dass neue Gewalt entsteht“, so wird Gewaltforscher Andreas Zick von der Uni Bielefeld im junge Welt-Artikel zur Beschreibung der aktuellen gesellschaftlichen Stimmungslage zitiert. Das gilt es beim Lesen der NPD-Postings im Hinterkopf zu behalten, um ihnen nicht auf den Leim zu gehen.

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[NMS] „Skandal und doch normal“: Die Famous-Debatte, die Polizei als kein Freund und Helfer und Zombies im Shopping-Center


Neumünster, von manchen liebevoll „der Osten des Nordens“ genannt, macht mal wieder Schlagzeilen. Während anderswo der Präsident des Bundesligavereins Eintracht Frankfurt, der Evangelische Kirchentag oder der Arbeiter-Samariter-Bund den Dialog mit der AfD verweigern (*1), wird in Neumünster sogar militanten Nazis und „rechten Rockern“ der rote Teppich ausgerollt. Am letzten Samstag durften „Bandidos“ um den ehemaligen NPD-Landesvorsitzenden Peter Borchert in der Holstengalerie, dem größten Shopping-Center in Neumünsters Innenstadt, ein Tattoo-Studio eröffnen, obwohl Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit am Tag zuvor in der taz noch auf die Umtriebe der Betreiber hingewiesen hatte (*2).

„Sie machen Mode und Musik / Langweilen uns nicht mit Politik / Das Rechte ist so was von schick / Wie naiv kann man nur sein?“ Ärzte-Schlagzeuger Bela B warnte in seinem ironischen Lied „Deutsche, kauft nicht bei Nazis“ (*3) vor eben den Entwicklungen, die in der Stadt an der Schwale gerade zu beobachten sind. Denn trotz der – wie Andreas Speit betonte – mehrmonatigen, intensiven taz-Recherchen, die in menschliche Abgründe blickten und die rechten und kriminellen Hintergründe des „Famous Tattoo & Lifestyle Store“ detailliert aufdeckten, schlug die Meldung zwar augenblicklich hohe Wellen, provozierte aber auch erstaunliche Reaktionen.

Die Lokalredaktionen der shz (*4) und der Kieler Nachrichten (*5) griffen die Themen auf und berichteten recht ausgewogen, KN-Redakteur Thorsten Geil kommentierte lediglich im Nebensatz, der taz-Artikel stecke „voller Mutmaßungen“ – was dann die Center Managerin der Holstengalerie, Mailin Huljus, blumig ausschmückte. Nachdem sie schon den Zeitungen gegenüber angegeben hatte, der Tattoo-Laden mache ihr Shopping Center „bunter“ und werde von „netten und kreativen Menschen“ geführt, negierte sie in einem Interview mit dem Freien Radio Neumünster (*6), dass die Betreiber etwas mit den „Bandidos“ oder mit Nazis zu tun hätten und formulierte sogar die These, dass der taz-Artikel „nicht richtig recherchiert“ sei und vielleicht eher auf „befürchteter Konkurrenz“ beruhe als auf Fakten.

Der Runde Tisch für Toleranz und Demokratie antwortete in einer Pressemitteilung, dass braun nicht bunt sei und rechte Rocker keine Bereicherung für die Neumünsteraner Innenstadt darstellen würden (*7). In dem Radio-Interview wurde Huljus gefragt: „Finden Sie es kreativ, wenn man zu jemandem sagt: ‚Ich zerschneid dir das Gesicht und versenk dich in der Förde‘?“ – diese Frage spielt auf den ehemaligen Präsidenten der Bandidos Neumünster an, der wegen Menschenhandels und Zwangsprostitution verhaftet worden war (*8). Die Center Managerin zog sich in ihrer Verteidigungshaltung darauf zurück, dass die organisierte Kriminalität der „Bandidos“ und auch die extrem rechten Aktivitäten Borcherts, der u.a. die „Combat 18“-Terrorzelle, gegen die es Anfang der 2000er Razzien in Neumünster gegeben hatte, mit Waffen beliefert hatte, „Privatangelegenheit“ seien, sie hingegen sei nur an Geschäften interessiert. „Ich recherchiere so, dass ich die Betroffenen selbst befrage,“ sagte sie abschließend – mit Betroffenen meint sie hier nicht etwa die Betroffenen von Zwangsprostitution oder die AnwohnerInnen des bisherigen Standorts von „Famous“, die von Borchert und seinen Kameraden bedroht worden waren, sondern die Nazirocker selber, die ihr wenig überraschend versichert hätten, sie seien gar keine Nazirocker.

Was für einen Unsinn sie da redet, ist ihr wahrscheinlich selbst bewusst, was auch an ihren nervösen Reaktionen im Interview deutlich wird. Denn um festzustellen, dass Speit mit seinen Vorwürfen recht hat, reicht eine einfache Internet-Suche. Das hat auch Courier-Journalistin Dörte Moritzen festgestellt und in ihrem Artikel aufgezeigt: Auf der Homepage des Tattoo Shops wird der in der taz genannte Matthias Stutz tatsächlich als angestellter Mitarbeiter im Bereich Shop Management aufgeführt. Stutz‘ öffentlich einsehbares Facebook-Profil liefert allerhand Hinweise auf rechte Rockerstrukturen, ein Photo zeigt ihn neben Peter Borchert, beide in Kutte bzw. mit „Bandidos“-Patches (s. Bild 2).

Moritzen schreibt weiter, Stutz habe „als ‚Bandidos‘-Mitglied im Mai 2016 mit weiteren Beteiligten einen Kontrahenten der konkurrierenden „Hells Angels“ in Dägeling (Kreis Steinburg) niedergestochen […]. [Stutz] wurde dafür im Herbst 2017 vom Amtsgericht Itzehoe verurteilt.“ (*4) „Im Zweifel ist es ein paar Tage her“, rechtfertigt sich Huljus und meint in einem Anflug von Humor mit ein „paar Tagen“ ein paar Jahre – ein anderes Bild zeigt Stutz jedoch wirklich vor ein paar Tagen bei der Eröffnung des neuen Shops in der Holstengalerie Arm in Arm mit Bernd Pries, dem Präsidenten der Bandidos Padborg (s. Bild 3).

Auch die angebliche Mutmaßung, dass Peter Borchert der eigentliche Kopf hinter „Famous“ sei, konkretisiert Speit, der die extrem rechte Szene in Neumünster seit Jahrzehnten beobachtet, auf Nachfrage des Freien Radios noch einmal. (*6) Nicht nur, dass Borchert, der angeblich keinerlei Beziehung zu „Famous“ habe, regelmäßig im Shop in der Holstenstraße anzutreffen war, hier ans Telefon ging, als einziger Mitarbeiter Fragen beantworten konnte und es selbst in die Hand nahm, Kritiker*innen aus der Nachbarschaft zu bedrohen – auch im Netz antwortete Borchert auf Nachfragen an die offizielle „Famous“-Seite von seinem privaten Account und benutzte dabei das entlarvende Personalpronomen „wir“ (s. Bild 4). Aber in einer auf dem rechten Auge blinden Geschäftswelt hat natürlich alles mit nichts zu tun.

Dass Huljus, Vertreterin des Hamburger Betreibers von Einkaufszentren ECE (European Shopping Centre), in ihrer Neumünsteraner Holstengalerie, hinter der ein Investitionsvolumen von 145 Millionen Euro steckt, rein profitorientiert arbeitet, sich Zombies, die zum Shoppen jegliche Kritik ausblenden, als KundInnen wünscht und für maximale Konsumanreize auch auf ethische Standards verzichtet, ist keine Überraschung. Der Rolling Stone warnte jedoch in einer Rezension über George Romeros Zombie-Film „Day of the Dead“, der nicht zufällig in einem Shopping Center endet, wozu so eine Haltung führt: „Das Angebot verändert die Persönlichkeiten […] Der Wohlstand blendet die Gefahren jedoch nur aus.“ (*9)

Ironischerweise wird von den Skeptiker*innen als angeblicher Beleg dafür, dass die Vorwürfe gegen „Famous“ haltlos seien, auch die Polizei zitiert. Also die Stelle, deren Glaubwürdigkeit durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zu den Vorgängen um die „Soko Rocker“ unlängst massiv erschüttert wurde. Schon 2017 hatte das antifaschistische Rechercheportal „la QUiMERA“ in Hinblick auf die Verwicklungen, im Rahmen derer sich u.a. mit NPD-Politiker Horst Micheel befreundete PolizistInnen im Hinterstübchen der Nazikneipe „Titanic“ mit Nazirockern getroffen hatten, resümiert: „Insgesamt scheint sich rund um die Neumünsteraner Neonazi- und Rockerszene ein Sumpf gebildet zu haben, in dem auch Polizist_innen fleissig mitmischen. Durch finanzielle und freundschaftliche Verbindungen zwischen Rockern und der Polizei werden bestimmte Ermittlungen vorangetrieben und andere unterschlagen.“ (*10) Für Aufsehen sorgte im PUA dann vor allem, dass im Auto von Peter Borchert streng vertrauliche Unterlagen der Polizei gefunden wurden, die auch sensible Personendaten enthielten (*11). In der Sendung des Freien Radios Neumünster provozierte das die Bemerkung eines Moderators, „wenn die Polizei sensible Daten an Rocker herausgibt, muss man sich nicht wundern, wenn Betroffene schweigen“, Andreas Speit empfahl dann folgerichtig auch, sich stattdessen an Beratungsstellen für Betroffene zu wenden (*6). Daraus dann abzuleiten, dass es „keine Auffälligkeiten vom bisherigen Standort“ gäbe, wie die Pressestelle des Landeskriminalamtes (LKA) in Kiel es gegenüber Dörte Moritzen tat (*4), erscheint uns wie eine self-fulfilling prophecy, die im krassen Gegensatz zur von der Landespolizei erklärten „Null-Toleranz-Strategie“(*12) steht. In Neumünster gab es von AnwohnerInnen des Famous-Shops in der Holstenstraße durchaus Hilfegesuche an die Polizei – was allerdings ausblieb, war die erhoffte Unterstützung, was für uns den eigentlichen Skandal an der ganzen „Famous“-Debatte darstellt. Wieder einmal zeigt sich: Polizei, kein Freund und Helfer!

In Neumünster scheint dieser Skandal aber als „normal“ empfunden zu werden, halten sich die Proteste doch bisher in Grenzen. Was könnt ihr tun? Behaltet die Aktivitäten der Nazirocker im Auge, beschwert euch beim Holstengalerie-Betreiber ECE über eine Verletzung des Verhaltenskodex (*13), bewertet gerne auch die Position von Holstengalerie-Managerin Huljus auf deren Social Media-Präsenz (*14), verbreitet diesen Artikel – und bleibt dran: Naziläden dichtmachen, kein Fame für „Famous“!

Quellen:
*1: https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2019/Umgang-mit-der-AfD-Schluss-mit-Verstaendnis,afd2310.html
*2: https://taz.de/Rechtsextreme-etablieren-sich/!5600206/
*3: https://www.youtube.com/watch?v=PcRouDQzV5s
*4: https://www.shz.de/lokales/holsteinischer-courier/rechte-und-rocker-jetzt-in-neumuensters-bester-lage-id24309522.html?fbclid=IwAR3AUEN86zJ7ZvNaMzh6YkTQ3_fluHfy8LfEyO1inf_ibpUghHhhd9x8RZk
*5: https://www.kn-online.de/Lokales/Neumuenster/Aufregung-um-Tattoo-Studio-in-der-Holsten-Galerie-Neumuenster?fbclid=IwAR2HDwX9OM_bcHUKLXO0UVHh4aI35_8YIRlweJ3AgBDVjNmz4XBpuFaiCzY
*6: https://freiesradio-nms.de/2019/rechter-tattoo-laden-in-der-holstengalerie/
*7: https://twitter.com/AntifaNMS/status/1141667088236457984
*8: https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/panorama/von-bandidos-chef-zur-prostitution-gezwungen-id571631.html
*9: https://www.rollingstone.de/dawn-of-the-dead-zombie-364325/
*10: https://quimera.noblogs.org/2017/hintergrunde-zum-polizeiskandal-in-schleswig-holstein/
*11: https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Rocker-Affaere-Vertrauliche-Polizei-Papiere-in-Rocker-Auto
*12: https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Kriminalitaet-Rocker-weiter-im-Fokus-der-Polizei
*13: https://www.ece.com/fileadmin/PDF_deutsch/Guidelines und Codexe/ECE_Verhaltenskodex.pdf
*14: https://www.facebook.com/pg/holsten.galerie.neumuenster/reviews

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[NMS] NPD-Ratsherr fordert: „bewaffnen und maximale Notwehr“


Der Neumünsteraner NPD-Politiker und Ratsherr Mark Michael Proch forderte unlängst in sozialen Netzwerken, zu den Waffen zu greifen. Am 8. Januar 2019 postete er ein Bild mit einer Handfeuerwaffe, vor der in großen Lettern zu lesen ist: „Pessimisten lernen arabisch, Optimisten lernen chinesisch, Realisten lernen schießen.“ In diesem Kontext soll die Bewaffnung offensichtlich gegen die von ihm empfundene „Überfremdung“ eingesetzt werden. Am gleichen Tag schrieb er jedoch auch in verschwörungstheoretischer Manier, dass „linke Kriminelle ( Staatlich finanziert )“ „weiter Narrenfreiheit“ hätten und fordert in diesem Zusammenhang: „Da hilft nur bewaffnen und maximale Notwehr ! Wenn der Staat uns nicht mehr schützt müssen wir es selbst tun !“ Dies stellt einen eindeutigen Gewaltaufruf dar und lässt Erinnerungen an die unter Rassist*innen während des Amerikanischen Bürgerkriegs verbreiteten Lynchmorde wach werden – zu erleben, was ein überzeugter Anhänger Hitlers mit „maximaler Notwehr“ meint, bleibt uns hoffentlich erspart.

Dass Proch Gewalt nicht abgeneigt ist, ist nicht neu: In diesem „Nazi-Check“ wurde seine gewalttätige Rhetorik untersucht, ebenso wird aufgeführt, dass er 2013 an einem Übergriff auf Journalist*innen beteiligt war. Des Weiteren fiel er 2017 durch die Zusammenarbeit mit einem verbotenen Neonazi-Netzwerk auf.

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„Alle zusammen gegen die Titanic“: 250 Menschen zeigten Horst Micheel die rote Karte


Wir danken allen, die gestern der Kälte getrotzt und der Nazikneipe „Titanic“ eine eindrucksvolle Absage erteilt haben. Trotz Parallelveranstaltungen in Kiel, von wo aus SJD – Die Falken Schleswig-Holstein von ihrem Beat it!-Festival gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus ein Grußwort nach Neumünster schickten, und in Hamburg, wo es beim Heimspiel des FC St. Pauli auf der Südtribune Soli-Banner an die „Titanic versenken“-Demo gab, haben sich 250 Menschen an den Protesten beteiligt und ein klares Zeichen gegen Rassismus und rechte Gewalt gesetzt.

Entgegen der Unkenrufe besorgter Bürger, die im Vorfeld Panik machten und vor „Randale“ auf dem Weihnachtsmarkt warnten, gab es trotz offensiver Ansagen an die Nazis aus der „Titanic“ gleichzeitig einen konfliktfreien Verlauf der kraftvollen Demonstration – schon beim dynamischen Sternmarsch zum Auftaktkundgebungsort, aber auch am Rande der Demoroute wurden viele Flyer verteilt, die zwar nicht alle, aber dennoch viele Menschen interessiert annahmen. Das bestätigt uns in dem Eindruck, dass die Stimmung in der Stadt insgesamt deutlich besser ist als in den stadtweiten Internetforen, wo rechte Trolle massiv Stimmung machen, Beleidigungen und Morddrohungen aussprechen (https://www.facebook.com/afanms/posts/582603285496734). Auch nach der Demo kamen vor allem aus dem Umfeld der „Titanic“ wieder bedenkliche Kommentare wie „Die Linken Zecken […] Ihr seid so überflüssig wie Aids, nur schlimmer weil soviel geballte Dummheit gefährlich ist“, darüber hinaus wurde der Demonstration erneut „Krawall“ vorgeworfen, worauf eine Ladeninhaberin auf Facebook aber konterte: „An unserem Laden sind viele lang gegangen. Ganz ruhig und freundlich.“

Die Polizei, die eine deeskalative Strategie fuhr, musste auch deshalb nicht eingreifen, weil sich die Rechten offensichtlich am heimischen Computer erheblich stärker fühlen als im echten Leben. Dem Aufruf des NPD-Ratsherrn Mark Proch, an der „Titanic“ Präsenz zu zeigen, folgten nur gut zehn Menschen. Seine „Bollstein“-Schlägertruppe hatte Micheel wohl zu Hause gelassen, um nicht schon wieder negative Schlagzeilen zu machen. Viel besorgniserregender finden wir, dass Proch Schützenhilfe von ungeahnter Seite erfuhr: Die Junge Union Kreisverband Neumünster, die wohl angesichts der aktuell in der CDU vor sich gehenden Machtwechsels Morgenluft wittert und sich auch am rechten Rand profilieren will, nutzte die Aufmerksamkeit, um den Jusos „Linksfaschismus“ und die Zusammenarbeit mit Terroristen vorzuwerfen. Wir finden es sehr bedauerlich, dass die Junge Union und auch CDU-Politikerinnen wie Melanie Bernstein die Angebote der Kampagne „Titanic versenken – Nazikneipen dichtmachen!“, mit allen Demokrat*innen an einem Strang zu ziehen und sich klar gegen Rechts zu positionieren, ausgeschlagen hat. Während die Ratsfraktion der Linken, aber auch einzelne Politiker*innen der Grünen, der SPD und der Piraten die Kampagne unterstützten und die Freien Wähler mit zur Demo aufriefen, regten sich die Junge Union über die Jusos und Sticker am CDU-Parteibüro auf, weigerten sich aber gleichzeitig, „Stellung bezüglich der Titanic zu beziehen“. Zu Übergriffen von Rechts schweigen, aber Menschen, die darüber aufklären und im Rahmen der Kampagne Konzerte, Kunstaktionen, Workshops, Filmvorführen, etc. organisieren, Terrorismus vorwerfen? Kommentar von NPD-Ratsherr Proch: „Danke an die Junge Union Neumünster“.

Alle Bilder der Demonstration unter http://eisberge.blogsport.eu/?rl_gallery=bildergalerie
Video des SH-Magazins vom NDR: https://youtu.be/nfzpWoXu7DE
Alle Presseberichte zur Kampagne: http://eisberge.blogsport.eu/?page_id=296
Rückblick über die verschiedenen Aktionen: http://eisberge.blogsport.eu/?page_id=167

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[NMS] Diskussionen um Ankerzentrum in der Stadt

Nachdem Innenminister Seehofer in seinem „Masterplan Migration“ auch die Ankerzentren grob umrissen hatte, die u.a. zu einer schnelleren „Rückführung“ von Geflüchteten führen sollen, waren der SPD die vorgelegten Pläne im Juli noch nicht „konkret genug“, so dass sich bis nur das Bundesland Bayern an die Einrichtung solcher Zentren machte [1]. Im September berichteten die Medien dann aber darüber, dass die aus CDU, FDP und Grünen gebildete schleswig-holsteinische Landesregierung plant, auch in Neumünster ein zentrales Aufnahmelager für ankommende Flüchtlinge in Schleswig-Holstein mit 1500 Plätzen zu schaffen [2].


NPD-Ratsfraktion (Mark Michael Proch und Horst Micheel) am 24.09. vor der Stadthalle

Im NPD Kreisverband Mittelholstein brach daraufhin hektischer Aktionismus aus, Flyer wurden gedruckt, für die Informationsveranstaltung am 24.09. wurde extra ein Banner aus LKW-Plane bestellt. Um im Vorfeld schon einmal ordentlich Stimmung zu machen, versuchten viele extrem Rechte auch, den Mord an einem 20jährigen am 16.09.2018 in der Friedrichsstraße für ihre Zwecke zu nutzen. Auf Twitter hetzten sie bereits nach kurzer Zeit mit Sprüchen wie „das #Morden geht weiter #Chemnitz #Köthen“ oder „Merkels Kinder morden unsere Kinder“. Manfred Riemke, der für die NPD im Bau- und Vergabeausschuss sitzt, schrieb: „Chemnitz und die anderen Orte, in denen Deutsche durch Messerstecher ermordet wurden, schienen so fern, doch jetzt hat diese Art des Terrors auch unsere Stadt in der Mitte Schleswig-Holsteins erfasst.“ Ratsherr Mark Proch teilte auf Facebook ein Bild, auf dem ein Photo des Opfers zu sehen war, versehen mit dem Schriftzug „Killer to hell“ auf Englisch und Arabisch – dass es sich beim Täter um einen arabischsprachigen Menschen handeln muss, war für die Rassist*innen wohl klar, sie witterten zudem die Chance, aus diesem tragischen Vorfall Kapital zu schlagen und den Mord für die Propaganda gegen das geplante Ankerzentrum zu instrumentalisieren. Als sich dann herausstellte, dass es sich beim Opfer nicht um einen Deutschen handelte, wurde es von Seiten der NPD schlagartig still, erst recht als die Polizei bei der Informationsveranstaltung bekannt gab, dass es sich bei dem Täter zwar um einen Menschen ohne deutschen Pass handeln würde, dieser aber – anders als von der NPD gehofft – in keinem Zusammenhang mit den Lagern in Neumünster oder Boostedt stehe.
Nichtsdestotrotz ließ es sich die extrem rechte Partei nicht nehmen, am 24.09. vor der Stadthalle aufzuschlagen und ihre Propaganda unter die Leute zu bringen. Überraschende Argumente hatten sie dabei nicht dabei, in dem zugehörigen Artikel auf ihrer Website warnten sie vor „steigender Kriminalität, Wertverlust ihrer Häuser und den Verlust von Identität“ und wiesen auf die „Angst vor sexuelle[n] Übergriffen“ hin – Ängste, die immer wieder von Rassist*innen geschürt werden, die einer Überprüfung anhand von Fakten aber nicht stand halten, wie u.a. diese Überprüfung in der Frankfurter Allgemeinen zeigt [3]. Neben Ratsherr Proch waren auch der frisch für die NPD in die Ratsversammlung eingezogenen Horst Micheel, dessen Nazikneipe Ziel einer bald beginnenden Kampagne ist [4], sowie die Lübecker Nazis Jörn Lemke sowie Maren und Alexander Neufeld anwesend, was einmal mehr die überregionale Bedeutung Neumünsters in der Strategie der extremen Rechten unterstreicht. Die NPD versuchte dabei den Eindruck zu erwecken, sie stünden dem Ankerzentrum als einzige politische Kraft kritisch gegenüber. Dass dies nicht so ist und dass es auch von linker und bürgerlicher Seite Kritik an dem Konzept gibt, verschwiegen die Kameraden lieber, wohl auch deshalb, weil der Unterschied in der Kritik vor allem darin liegt, dass sie – anders als die der NPD – nicht rassistisch, sondern humanistisch motiviert ist. Der Flüchtlingsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Stefan Schmidt, betonte etwa, die Unterbringung in einem Ankerzentrum dürfe „keinen Haft- und Strafcharakter haben“: „Die Menschen in Ankerzentren werden zur Unselbstständigkeit verdammt, sie können nicht eigenständig den Lebensunterhalt erarbeiten, den Tagesablauf nicht mit eigener Planung und Zubereitung von Mahlzeiten organisieren, denn sie haben keine Möglichkeit selbst zu kochen. […] Die Anker-Zentren werden zu Isolation und Belastungen bei Geflüchteten führen – und die soziale wie berufliche Integration erschweren“, prophezeite Schmidt [5]. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein twitterte: „Keine Lager für Schutzsuchende in Neumünster, Boostedt, Glückstadt und auch sonst nirgends in und um Europa!“, bereits im Juli hatten sich 16 Refugee Law Clinics aus Deutschland klar gegen Ankerzentren positioniert [6]. Der Journalist Thorsten Geil kommentierte in den Kieler Nachrichten: „Es muss auch künftig mehrere Erstaufnahmen mit kleineren Zahlen geben. Nur dann kann Integration funktionieren. Koste es, was es wolle.“ [7]

Mit mulmigen Gefühlen nahmen wohl viele die Ankündigung der NPD zur Kenntnis, „ daß eine politische Auseinandersetzung in der Ratsver­sammlung vermutlich nicht ausreichen wird, um eine Erweiterung zu verhindern“. Es komme auch auf den „Widerstand aus der Bevölkerung“ an, wofür es genug Möglichkeiten gebe – wenn so etwas aus dem Munde einer Partei kommt, die zum Auftakt ihres Kommunalwahlkampfs den mehrfach vorbestraften NSU-Unterstützer Thorsten Heise eingeladen hat [8], bleibt mehr als ein fader Beigeschmack.

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Anquatschversuch in Neumünster


Am Mittwoch den 12.9.2018 klingelte es gegen 19 Uhr Abends an der Tür einer Genossin in Neumünster. Vor der Tür standen zwei Männer im Alter von ca. 40-45 Jahren und hielten der Genossin kurz einen Ausweis des Innenministeriums vor die Nase.

Die beiden versuchten ein Gespräch mit der Betroffenen über Aktivitäten von Neonazis in Neumünster anzufangen, und ob sie ihnen nicht Informationen über Nazis geben könne oder wolle. Auf die Aussage der Genossin hin, dass sie nicht zu einem Gespräch bereit ist, fragten die beiden (mutmaßlichen) Mitarbeiter des Verfassungsschutz mehrmals nach, warum sie das denn nicht wolle. Die Betroffene blieb konsequent und verneinte den Gesprächsversuch, woraufhin die beiden Staatsschnüffler das Haus verließen. Die Mitarbeiter lehnten die Herausgabe einer Visitenkarte ab.

Der Anquatschversuch passt in das von uns über die letzten Jahre beobachtete Schema, junge Genoss*innen aus dem Antifa-Umfeld anzuquatschen um Informationen zu erlangen, denn bei solchen Gesprächsversuchen geht es dem Verfassungsschutz natürlich nicht um die Nazis, sondern darum, Informationen über antifaschistsiche Strukturen zu bekommen und junge Aktivist*innen einzuschüchtern.

Die Betroffene hat vorbildlich gehandelt und den Anquatschversuch abgewehrt und keine Informationen preisgegeben, sondern sich stattdessen an die Rote Hilfe gewendet. Wir rufen weiterhin dazu auf, jeglichen Kontaktversuch der Ermittlungsbehörden und Geheimdienste sofort abzuwehren und zu veröffentlichen und die lokalen politischen Strukturen und Antirepressionsgruppen darüber zu informieren.

Rote Hilfe OG Kiel & Antifa Neumünster, 26.9.2018